12. Europäischer Abend zum Thema öffentliche Dienstleistungen in Europa

"Privat oder Staat? Öffentliche Dienstleistungen in Europa" lautete der Titel des 12. Europäischen Abends, der am 1. März im Berliner dbb forum mit rund 250 Gästen stattgefunden hat. Im Fokus des Abends stand die Zukunft der Daseinsvorsorge im Lichte des Vertrags von Lissabon.

In seiner Begrüßungsrede forderte der Präsident der Europa-Union Deutschland, Peter Altmaier, "dass Kernaufgaben des Staates nicht privatisiert werden dürfen". Eine vernünftige Kooperation zwischen staatlichen und privaten Dienstleistern sei allerdings wünschenswert und notwendig.
 
Der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Matthias Petschke, legte in seinem Vortrag dar, dass durch den Lissabon-Vertrag das kommunale Selbstverwaltungsrecht zum ersten Mal primärrechtlich auf europäischer Ebene verankert wurde und das Subsidiaritätsprinzip ausgeweitet werden konnte.
 
Prof. Dr. Hans-Günter Henneke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, betonte in seinem Beitrag, dass zahlreiche Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge quasi-hoheitliche Aufgaben der Kommunen seien, die von einer Liberalisierungspolitik der Europäischen Kommission betroffen wären. Für die Zukunft könnte es zu einem Konflikt zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten kommen, konkret zu einem Widerspruch zwischen dem "trägerblinden" europäischen Ansatz, der staatlich erbrachte Leistungen für die Bürger privatwirtschaftlichen Dienstleistungen gleichstellt, und den Positionen einiger Mitgliedsstaaten, die Leistungen der öffentlichen Hand als besonders schützenswert erachten.
 
Die folgende Podiumsdiskussion wurde von der Moderatorin Katja Weber vom rbb mit der Frage nach einer Definition des Begriffes der Daseinsvorsorge eröffnet. Die Antworten der Podiumsgäste machten deutlich, dass auf europäischer Ebene zwischen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse zu unterscheiden ist. Matthias Petschke stellte hierzu fest, dass eine Unterscheidung zwischen den beiden Kategorien nur durch eine Einzelfallprüfung möglich sei. Ob bei der Daseinsvorsorge auch ein (privat)wirtschaftliches Dienstleistungsinteresse mit im Spiel sei, könne am besten die Wirtschaft selbst beurteilen, meinte Jens Lattmann vom Deutschen Städtetag.
 
Der Europaparlamentarier Michael Theurer, Mitglied des Präsidiums der Europa-Union, vertrat die Meinung, dass auch in Fragen der europäischen Daseinsvorsorge manchmal die Vielfalt vor der Einheit stehen sollte und es bisweilen besser sei, auf europäischer Ebene weniger zu regulieren. Einig waren sich die Diskutanten in der Frage der Regulierungsgeschwindigkeit. Ein langsames und gut durchdachtes Vorgehen sei überstürzten Schritten vorzuziehen. "Bei der Gesetzgebung geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit", betonte auch Thomas Mann, Europaabgeordneter und Vizepräsidentz der Europa-Union.
 
In seinem Schlusswort unterstrich dbb Bundesvorsitzender Peter Heesen die grundlegende Idee einer ausgeprägten kommunalen Selbstverwaltung. In der Frage Privat oder Staat müsse aber Vielfalt zugelassen werden, auch wenn in letzter Zeit einige prominente Beispiele gezeigt haben, dass private Dienstleister nicht billiger und besser seien, sondern häufig das Gegenteil der Fall ist.
 
Der Europäische Abend ist eine gemeinsame Veranstaltungsreihe von dbb beamtenbund und tarifunion, der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland sowie der Europa-Union Deutschland und ihrem Landesverband Berlin. Der nächste Europäische Abend findet am 9. Juni statt.