Artikel aus der FNP: Sei selbstbewusst, Europa!

Ja, Europa ist noch zu retten, aber: Es wird nicht leicht und auch nur dann gelingen, wenn Europa zwar seine Landessprachen behält, nach außen hin aber mit einer Stimme spricht. Der Friedens- und Konfliktforscher Matthias Dembinski ist da vorsichtig optimistisch.

(von Alexander Schneider)

Steinbach. Europa befindet sich in der größten Krise seit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in den 50er Jahren. Wenn da selbst ein intimer Kenner der europäischen Materie wie Dr. Matthias Dembinski von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sich nicht so genau darauf festlegen will, wie es mit Europa weitergeht, trägt das nicht unbedingt zur Entspannung bei. Hinter dem Titel einer seiner jüngeren Veröffentlichungen, „Europa am Ende“, greift er noch zum Fragezeichen und nicht zum Ausrufezeichen. Zu retten, das dürfte die Essenz seiner Ausführungen vor Gästen der Europa-Union Hochtaunus am Mittwochabend in Steinbach sein, ist Europa noch. Allerdings, und auch da war Dembinski keiner aus der „Keine-Sorge-es-wird-schon-Fraktion“, wird die Rettung Europas kein Spaziergang.

 

Lebhaft diskutiert

Bei einer sehr lebhaften, von der stellvertretenden Kreisvorsitzenden der Europa-Union, Dr. Ilja-Kristin Seewald, geleiteten Diskussion betonte Dembinski, dass die Rettung des Staatenbundes leichter fiele, wenn der selbst sich nicht so schwer damit täte, mit einer Stimme zu sprechen.

Eine einheitliche Diktion innerhalb der EU sei noch nie so wichtig gewesen wie jetzt, da sich Europa einem Konglomerat aus Bedrängungsszenarien zu stellen habe: Im Norden der Brexit, weit im Westen die USA mit ihrem Präsidenten Donald Trump, im Osten Russland, von dem eine, wenn auch abstrakte, militärische Gefahr ausgeht, die sich gerade im Baltikum zuspitze. Im Südosten eine von Diktatur bedrohte Türkei, ein nach rechts drängendes Polen und im Westen ein Frankreich am Scheideweg – „in Holland haben wir noch mal Glück gehabt“, sagte Dembinski.

Eine von Dembinskis Kernbotschaften: Europa müsse sich auf seine Grundpositionen besinnen. Der Friedensforscher nannte ein wirtschaftlich und militärisch selbstbewussteres Europa innerhalb der Nato als Gebot der Stunde. Ob eine europäische Armee das Mittel der Wahl sein könne, schloss Dembinski weder aus, noch befürwortete er sie. Eine von der Nato unabhängige EU-Armee, die womöglich nur von den sechs Gründungsstaaten der Europäischen Union gebildet würde, hätte jedoch mehrere Probleme, etwa die Frage, wer Oberbefehlshaber werden soll. Solange die europäischen Staaten nicht wirklich an einem Strang zögen, müsse darüber aber nicht weiter nachgedacht werden.

 

Neue Definitionen

Wichtig sei es, mit einer EU-weiten Gesinnung die transatlantischen Beziehungen, aber auch die zu Russland, neu zu definieren. Ende der europäische Gedanke aber weiter an den Landesgrenzen, lasse sich eine europäische Außen- und Verteidigungspolitik kaum auf eine tragfähige Basis stellen, sagte Dembinski. Europa werde dann nicht weiter als Friedensmacht gelten können.