„Europäisches Semester“ soll Wirtschafts- und Finanzpolitik in der EU besser koordinieren

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben grünes Licht für eine deutlich verstärkte Koordinierung der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik gegeben. Damit zogen sie weitreichende Konsequenzen aus der Wirtschafts- und Finanzkrise in den vergangenen zwei Jahren.

Die neuen Verfahren für die "wirtschaftspolitische Steuerung" umfassen proaktive und reaktive Elemente:
 

Zum Abbau wirtschaftlicher Ungleichgewichten werden erstmals Wettbewerbsfähigkeit, Lohnstückkosten und Handelsbilanzen der einzelnen Volkswirtschaften gemeinsam untersucht. Ziel ist die "rechtzeitige Korrektur unhaltbarer Unterschiede und Ungleichgewichte", wie der Europäische Rat formuliert.

 

Zur Verhinderung der Überschuldung einzelner Mitgliedstaaten werden die nationalen Haushalte strikt überwacht.  Insbesondere werden die Budgets der Mitgliedstaaten schon im Entwurfsstadium von der Kommission geprüft und bewertet. Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt können künftig mit noch nicht im Einzelnen festgelegten Sanktionen geahndet werden. Die Rede ist von der Streichung von EU-Mitteln und der Einschränkung von Stimmrechten
       

Das "europäische Semester" beginnt im März jeden Jahres mit "strategischen Empfehlungen" des Europäischen Rates auf der Grundlage eines Berichts der EU-Kommission. Diese sollen die Grundlage bilden für die Reformprogramme und Haushalte der Mitgliedstaaten, die von der Kommission geprüft werden. Dazu kann dann der Europäische Rat im Juni wiederum spezifische Empfehlungen abgeben.

 

Damit verwirklicht die EU lange blockierte Vorschläge, die als Teil einer europäischen Wirtschaftsregierung verstanden werden können. Der Vorsitzende der Euro-Gruppe und luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker sagte laut "Der Spiegel", die EU sei "in den letzten Monaten weiter gekommen als in den vergangenen zehn Jahren". Österreichs Finanzminister Josef Pröll nannte die Beschlüsse einen "Quantensprung." Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von einer "echten Wirtschaftsunion".
 
Der politischen Einigung auf diese Maßnahmen folgen voraussichtlich bereits am 29. September legislative Vorschläge der EU-Kommission zur Umsetzung. Brisant werden - wie oft in europäischen Fragen - die bislang abstrakten Entscheidungen aber erst bei der Umsetzung, wenn etwa der von einer nationalen Regierung beschlossene Budgetentwurf als unakzeptabel verworfen oder das Lohnniveau in einem Mitgliedstaat als zu hoch eingeschätzt wird.