TTIP-Bürgerdialog in Hannover ein voller Erfolg

Am 19. März luden die Europa-Union und die evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers ein zum Bürgerdialog über das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Trotz der Computermesse CeBIT und zahlreichen Konkurrenzveranstaltungen lockte das kontroverse Thema rund 160 Interessierte aus dem ganzen Bundesland in die niedersächsische Landeshauptstadt. Das motivierte Publikum nutzte ausgiebig die Gelegenheit, seine Fragen und Sorgen zu TTIP mit Fachleuten aus dem Lager der Befürworter und Kritiker zu diskutieren.

Einstiegspodium des TTIP-Bürgerdialogs in Hannover mit Richard Kühnel (Europäische Kommission), Heribert Hirte MdB (CDU), Bernd Lange MdEP (SPD), Jürgen Maier (TTIP Unfairhandelbar) und Moderator Thomas Franke (Euractiv.de).

Landesbischof Ralf Meister erklärte in seiner Eröffnung, dass für die Evangelische Kirche bei den zentralen wirtschaftlichen Fragen immer die Gerechtigkeitsfrage im Vordergrund stehe. Transparenz und weltweite Gerechtigkeit sind Meister daher auch bei TTIP ein besonderes Anliegen. Die Auswirkungen des Abkommens auf die Entwicklungsländer seien für seine Kirche von großer Bedeutung. „Ein Wirtschaftssystem ohne staatliche Kontrolle und gesetzliche Limitierung funktioniert nicht“, ist der Landesbischof überzeugt.

Auch der Berichterstatter für TTIP im Europäischen Parlament Bernd Lange ist der Meinung, dass in der globalisierten Ökonomie manches falsch gemacht wurde. Er sprach sich für faire Regeln und Standards aus und forderte, dass Wettbewerb über Qualität und Effizienz, nicht durch Lohn- und Umweltdumping, geschaffen werden müsse. Außergerichtliche Schiedsstellen lehnt der Vorsitzende des Handelsausschusses ab. Demokratische Verfahrensweisen zu finden, mit denen gemeinsame Standards zwischen der EU und den USA geschaffen werden können, sieht Lange als eine der großen Herausforderungen.

„Kritik wird gebraucht“, sagte Richard Kühnel, Vertreter der EU-Kommission in Deutschland, zur anhaltenden gesellschaftlichen Diskussion über das Freihandelsabkommen. Trotzdem solle man zwischen der berechtigten Kritik und Mythen unterscheiden. Er sprach sich dafür aus, die Chancen die TTIP für Europa und Deutschland bringe, zu nutzen. „TTIP ist zum Symbol für globale Veränderungsprozesse geworden, bei denen wir uns nicht gehört fühlen“, analysierte Kühnel. Der Europäischen Kommission sei es wichtig, diese Debatte zu führen.

Der Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte hob die Rolle der nationalen Parlamente in der Diskussion um das Freihandelsabkommen hervor. Der Bundestag werde über alles informiert, was die Europäische Union mache, so auch über TTIP. Die Abgeordneten mischten sich in die Debatte ein, erarbeiteten Vorschläge und wiesen die Regierung an, bestimmte Positionen auf europäischer Ebene zu vertreten. In der Debatte um das Freihandelsabkommen machte er einen „lantenten Amerikahass“ aus. Dabei würden von TTIP neben den Unternehmen auch die Verbraucher profitieren. Dank geöffneter Märkte würden Produkte für sie billiger.

Jürgen Maier vom Bündnis TTIP Unfairhandelbar verwehrte sich entschieden gegen den Vorwurf des Antiamerikanismus. Sein Bündnis habe zahlreiche Partner in den USA, die das Handelsabkommen ebenfalls ablehnen würden, da sie die Folgen nicht wollten. Das Abkommen würde dazu beitragen, dass multinationale Unternehmen eine noch dominierende Stellung bekämen. „Wir wollen diese Sorte Wirtschaftspolitik nicht mehr“, bekräftigte Maier. „Was für die einen ein Handelshemmnis ist, ist für die anderen Ausdruck einer demokratischen Entscheidung, die die Wertehaltung in einer Gesellschaft widerspiegelt“, betonte Maier. Daher sei es wichtig, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in die Diskussion um TTIP einbrächten. „Wir sind alle kompetent, hier mitzureden, und wir haben das demokratische Recht dazu.“

Dieser Meinung war auch das Publikum, wie die auf- und angeregten Diskussionen in den drei Themenräumen im Anschluss zeigten. Weitere Diskussionspartner zu den Themen Demokratie, Handel und Standards waren Expertinnen und Experten von Mehr Demokratie e.V., dem Bundesverband der Deutschen Industrie, dem Bund für Umwelt und Naturschutz, der Europäischen Kommission, dem Deutschen Städtetag, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Viscom AG und dem Niedersächsischen Beamtenbund.

Intensiv wurden die Vorteile und Risiken von TTIP diskutiert. Den Schiedsgerichten stand die große Mehrheit der Anwesenden kritisch gegenüber. Auch die Regeln, nach denen die Weltwirtschaft derzeit funktioniert, wurden kritisiert. „Wir haben nur eine Erde“, so eine Teilnehmerin. Datenschutz und digitale Wirtschaft waren Themen, die Besucher der CeBit in die Diskussion einbrachten. Mit Blick auf das Thema Transparenz wünschte sich das Publikum einen noch einfacheren und allgemein verständlicheren Zugang zu den offiziellen TTIP-Dokumenten.

Wolfgang Zapfe, Vorsitzender der Europa-Union Niedersachsen, zog eine äußerst positive Bilanz des Abends. Er bedankte sich bei allen Beteiligten und Partnern, ganz speziell aber bei den Menschen aus Hannover und Umgebung, die das Bürgerdialog mit ihren Beiträgen und Emotionen zum Pulsieren brachten.

Programm des TTIP-Bürgerdialogs in Hannover

Berichterstattung: Hannoversche Allegemeine Zeitung (Print: 14.04.2015, 19.03.2015, Online: Opens external link in new window19.03.2015), Neue Presse (Print: 19.03.2015). Weitere Informationen finden Sie hier.