Erwartungen der Europa-Union Deutschland an die deutsche Europapolitik

Beschluss des Präsidiums vom 9. Oktober 2009:


1. Die Europa-Union Deutschland dankt der Bundesregierung für ihre konstruktive pro-europäische Politik in den zurückliegenden Jahren. Dieser Politik ist es maßgeblich zu verdanken, dass durch den Vertrag von Lissabon die bislang schwerste Integrationskrise der Europäischen Union überwunden und die Handlungsfähigkeit Europas wieder her-gestellt wurde.

2. Die Europa-Union Deutschland appelliert an die Fraktionen des Deutschen Bundestages, den partei- und fraktionsübergreifenden Konsens in grundlegenden europapolitischen Fragen auch in der kommenden Wahlperiode zu bewahren und auszubauen. Die Europa-Union Deutschland erwartet, dass die Fraktionen das Projekt der europäischen Einigung auch zukünftig kraftvoll voranbringen.

3. Die Europa-Union Deutschland fordert die Partner der künftigen Koalition auf, die euro-papolitische Koordinierung innerhalb der Bundesregierung umfassend zu reformieren und zu verbessern. Die Zersplitterung der europapolitischen Koordinierung auf mehrere Res-sorts und das Fehlen eines politisch erkennbaren und verantwortlichen Koordinators (sowohl innerhalb der Regierung, wie gegenüber Bundestag und Bundesrat sowie gege-nüber Brüssel) behindern in vielen Fällen die wirksame Formulierung und Wahrnehmung deutscher Interessen. Dies bedeutet einen erheblichen Nachteil gegenüber anderen eu-ropäischen Ländern. Wir fordern die künftige Bundesregierung auf, bis zum Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags für eine praktikable und transparente Neuordnung zu sorgen.

4. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag steht in Teilen im Wi-derspruch zur politischen und verfassungsgeschichtlichen Tradition der Bundesrepublik und zum Vorrang des Europäischen Rechts, der für den Integrationsprozess zwingend ist. Da die Organe der Bundesrepublik Deutschland an das Europäische Recht und an das vom Bundesverfassungsgericht ausgelegte Grundgesetz gleichermaßen gebunden sind, besteht künftig die Gefahr ernsthafter Konflikte beider Rechtsordnungen.
Die Europa-Union Deutschland fordert die Verfassungsorgane auf, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die umfassende und uneingeschränkte Anwendung des Gemeinschaftsrechts auch künftig gewährleistet ist.