Die Europa-Union Deutschland hat sich gemäß ihrem Motto „Mitwirken am Europa der Bürger“ stets für mehr Teilhabe und für mehr Demokratie auf europäischer Ebene engagiert. Sie hat sich aktiv und erfolgreich am Gesetzgebungsprozess zur konkreten Ausgestaltung der EBI beteiligt. Die EUD sieht es von daher als Selbstverständlichkeit an, das Projekt der Europäischen Bürgerinitiative zu begleiten. Sie wird vor allem als Multiplikatorin dazu beitragen, die EBI als Instrument stärker bekannt zu machen und interessierte Bürgerinnen und Bürger mit allen diesbezüglichen Informationen und Hinweisen unterstützen.
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde 2009 die Europäische Bürgerinitiative (EBI) als erstes Instrument transnationaler Bürgerbeteiligung in die europäische Politik eingeführt. Mit einer EBI können eine Million EU-Bürgerinnen und -Bürger, die in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten wohnen, die Kommission auffordern, einen Rechtsakt zur Umsetzung der EU-Verträge vorzulegen. Die EBI erweitert die mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte der Bürgerinnen und Bürger und ermöglicht ihnen eine unmittelbare Beteiligung an der Ausgestaltung des europäischen Integrationsprozesses. Von daher verbindet sich mit ihr die große Chance, ergebnisorientiert öffentliche Debatten über Europa zu führen, der europäischen Politik neue Impulse zu verleihen, die Zivilgesellschaft zu stärken und das Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit zu befördern.
Praktisch anwendbar wurde die EBI auf Grundlage der Verordnung Nr. 211/2011, die am 1. April 2012 in Kraft trat. Seit 2012 haben vier Initiativen erfolgreich die Marke von einer Million Unterschriften erreicht. Das zeigt einerseits: Das Instrument funktioniert und wird von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen. Gleichzeitig machte aber die Anzahl an gescheiterten oder unzulässigen Initiativen deutlich, dass sich manche Regelungen für Initiatoren und Unterstützer einer EBI als schwer umsetzbar erwiesen. Als praktische Hindernisse stellten sich beispielsweise heraus die unflexible Frist zur Unterschriftensammlung, unterschiedliche technische und datenschutzrechtliche Bedingungen der Unterschriftensammlung in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten oder auch der hohe personelle Aufwand für die Durchführung einer EBI. In den ersten Jahren nach Inkrafttreten der EBI-Verordnung wurde daher der Ruf nach Veränderung der Regeln lauter.
Das Europäische Parlament spielte bei der Schaffung, Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Europäischen Bürgerinitiative eine zentrale Rolle. Seine politischen Forderungen zur Vereinfachung der Verfahren für die Durchführung einer EBI sowie zur Verbesserung ihrer Wirksamkeit verankerte das Parlament im Oktober 2015 in einer Entschließung, in der es eine rasche Überarbeitung der Verordnung Nr. 211/2011 und entsprechende Vorschläge seitens der Kommission verlangte.
2017 erneuerte das Europäische Parlament seine Forderungen nach einer Reform der der EBI-Verordnung. Auf der Grundlage der Vorschläge des Parlaments und als Ergebnis einer öffentlichen Konsultation legte die Kommission im September 2017 schließlich ihren Vorschlag für eine neue EBI-Verordnung vor und im Dezember 2018 schlossen Parlament, Rat und Kommission ihre Gesetzesberatungen darüber ab.
Die neuen Regelungen zur EBI werden es für die Bürgerinnen und Bürger leichter machen, eine EBI zum Erfolg zu führen. Vorgesehen ist u.a. eine Vereinfachung der Formulare für die Einholung von Unterstützungsbekundungen. Alle EU-Bürgerinnen und -bürger können künftig unabhängig von ihrem Wohnsitz eine Europäische Bürgerinitiative unterstützen. Initiatoren von EBI können flexibler selbst entscheiden, wann sie mit Unterschriftensammlungen beginnen und das Europäische Parlament wird öffentliche Anhörungen über erfolgreiche EBI durchführen. Eine zentrale Forderung des Europäischen Parlaments, für die sich die Europa-Union Deutschland und die Jungen Europäischen Föderalisten seit Stunde eins der EBI einsetzen, nämlich das Mindestalter für die Unterstützung einer EBI EU-weit auf 16 Jahre abzusenken, konnte leider in den Verhandlungen mit dem Rat nicht durchgesetzt werden. Da die überarbeitete EBI-Verordnung aber zugleich vorsieht, dass die Mitgliedstaaten darüber entscheiden können, ob das Mindestalter zur Teilnahme an einer EBI auf 16 Jahre gesenkt werden soll, wird sich die Europa-Union Deutschland nun in Deutschland dafür einsetzen, dass sich junge Menschen hierzulande an Europäischen Bürgerinitiativen beteiligen können.
Die neue Verordnung soll am 1. Januar 2020 in Kraft treten.
Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann
Mitglied des Präsidiums
E-Mail: kaufmann@europa-union-berlin.de