Bürgerdialog Essen

Die Europa-Union war mit ihrer Bürgerdialogreihe zur Zukunft Europas am 12. Juli 2018 im Ruhrpott zu Gast. Rund 100 Teilnehmende löcherten in Essen Experten aus Politik, Wissenschaft, Gewerkschaften und Wirtschaft zu kontroversen Themen wie europäischen Werten, Verteidigungspolitik, Brexit, sozialen Fragen und zur Handlungsfähigkeit der EU. „Europa hat nur gemeinsam eine Chance!“ lautete ein Fazit des Abends.

 


Lesen Sie hier das Programm zur Veranstaltung!


„Wenn wir eines in den letzten 30 Jahren gelernt haben, dann, dass das Zusammenwachsen in Europa nicht so einfach ist. Jetzt braucht es Mut, die Europäische Integration voranzutreiben und sie wieder in eine positive Richtung zu führen“, so Heinz-Wilhelm Schaumann, Vizepräsident der Europa-Union Deutschland, in seiner Eröffnung.

Franz-Josef Britz, Zweiter Bürgermeister von Essen, betonte in seinem Grußwort, dass seine Stadt viele Berührungspunkte mit Europa habe. „Essen kann Europa“ machte er selbstbewusst auf die vielen europäischen Förderprojekte in der Stadt aufmerksam. Trotz vieler Krisen in der EU, habe Europa in dieser Welt keine andere Chance, als gemeinsam zu handeln. „Wir bekennen uns zur EU, gerade auch in Hinblick auf die Europawahl 2019“, unterstrich Britz.

Im einführenden Gespräch stand Jochen Pöttgen, Leiter der Regionalvertretung Bonn der Europäischen Kommission, der Moderatorin Mareen Hirschnitz Rede und Antwort. Er verglich die EU mit einem Hausmeister an einer Schule, der nur sichtbar werde, wenn etwas nicht funktioniere. „Sonst hört und sieht man nichts von ihm. So ist es auch mit der EU.“ Er rief alle Anwesenden dazu auf, wenn die EU mal wieder pauschal kritisiert werde, genau hinzusehen. „Reflektieren Sie mal eine halbe Minute, wer ist denn die EU? Es gibt nicht die EU, sondern es gibt die Europäische Kommission, die Vertretung der Mitgliedstaaten, den Rat, und das Europäische Parlament. Pauschalurteile sind zu einfach und dienen oft dazu, Zuständigkeiten zu vernebeln.“ Seine Kritik war in erster Linie auf die Regierungen der Mitgliedstaaten gemünzt, die „Brüssel“ für eigene Unzulänglichkeiten verantwortlich machten.

Im Anschluss an die Einführung waren die Teilnehmenden an der Reihe! In zwei Themenräumen wurde offen und kritisch über Europas Rolle in der Welt sowie Wirtschaft und Soziales diskutiert.

Ein Schwerpunkt der Diskussion zu Europas Rolle in der Welt war die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Jens Geier, Mitglied des Europäischen Parlaments, machte deutlich: „Von einer europäischen Armee sind wir Lichtjahre entfernt!“ Die gemeinsame Handlungsfähigkeit in diesem Bereich müsse verbessert werden, aber es brauche keine EU-Armee mit einem klaren Feindbild.

Ulrich Beul, Mitglied des Stadtrates Essen, widersprach. Russland sei eine solche Bedrohung, er könne die Ängste von Balten und Polen verstehen. Für ihn ist darüber hinaus klar: „Eine gemeinsame EU-Armee würde jeden Steuerzahler günstiger kommen als alle nationalen Armeen zusammen.“

Oliver Schwarz von der Universität Duisburg-Essen sprach sich für eine verstärkte militärische Zusammenarbeit innerhalb der EU aus. Die EU sei lange Jahre ausschließlich Handelsmacht gewesen, diese Zeit sei mit dem Zerfall Jugoslawiens vorbei gewesen. „Das Konzept der EU als Zivilmacht ist gescheitert, in vielen Fällen reicht „nur“ Dialog nicht, es braucht weitere Instrumente - auch militärische. Die EU muss zur normativen Macht werden und verschiedene Instrumente einsetzen können.“

Im Themenbereich Arbeit und Soziales wurde intensiv über europaweite Sozial- und Verbraucherschutzstandards debattiert.
Für Dieter Hillebrand, Regionsgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes Mühlheim-Essen-Oberhausen, spielten vor allem Arbeitnehmer- und Mitbestimmungsechte in Unternehmen eine große Rolle. In Essen werde beispielsweise die Fusion der Stahlsparte von Thyssen-Krupp mit der indischen Tata-Gruppe kritisiert, denn der Firmensitz des neuen Unternehmens solle in den Niederlanden liegen. „Warum muss die Mitbestimmung der Arbeitnehmer an der niederländischen Grenze enden? Hier braucht es dringend europäische Regelungen. Es kann nicht sein, dass Standards immer nach unten angepasst werden“, so Hillebrand. Alle Beteiligten müssten sich fragen: „Welchen Stellenwert hat der Mensch in diesem System?“

Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, hob die Bedeutung des Binnenmarktes hervor. Dieser sei eine Erfolgsgeschichte, um die die EU in der Welt beneidet werde. Er forderte: „Wir brauchen eine europäische Gesetzgebung, es müssen gleiche Regeln für alle gelten. Dabei darf die Wettbewerbsfähigkeit nicht außer Acht gelassen werden.“ Tillmann bemängelte, dass Firmen in Deutschland große Nachteile hätten, weil sich die Mitgliedstaaten nicht auf eine gemeinsame Energiepolitik einigen könnten.

Alle Diskutanten riefen dazu auf, sich offensiv zu Europa und der EU zu bekennen und sich aktiv für ein gemeinsames und handlungsfähiges Europa einzusetzen.
In seinem Schlusswort dankte Peter W. Wahl, Vorsitzender der Europa-Union Nordrhein-Westfalen, allen Mitwirkenden und Teilnehmenden für ihre Beiträge.

Moderiert wurde der Bürgerdialog in Essen von Mareen Hirschnitz von der Europäischen Bewegung Deutschland und von Pia Schule von den Jungen Europäischen Föderalisten. 

Kooperationspartner der Veranstaltung waren die Stadt Essen mit ihrem Informationszentrum Europe Direct Essen, die Europa-Union Nordrhein-Westfalen mit ihrem Kreisverband Essen und die Jungen Europäischen Föderalisten Essen.


Foto: EUD