Verantwortung für eine Zukunft des Westbalkans übernehmen

Beschluss des Bundeskongresses vom 22.11.2008 (PDF-Datei)

Die Europa Union Deutschland fordert die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, das Europäische Parlament und die Europäische Kommission auf:

1. Die Westbalkanstaaten in ihrer Transition zu unterstützen!
Die Europäische Union tritt bereits als Akteur durch die Unterstützung im Zuge des Instruments für Heranführungshilfe (IPA) auf. Hier könnte die finanzielle Hilfe jedoch aus ihrer fragmentierten Form herausgeführt und stärker auf Leuchtturmprojekte konzentriert werden, die eine größere Sichtbarkeit der EU garantieren. Neben der schrittweisen Übernahme des Acquis durch die Länder des Westbalkans muss Hilfe vor allem im Bereich legislativer und judikativer Reformen gewährt werden. Um eine Stärkung und Entwicklung der Wirtschaft zu ermöglichen, sind Maßnahmen im Bereich der Wirtschaftsförderung und zur Verringerung der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit, erforderlich. Wir fordern daher, die Hilfen insbesondere für potentielle Beitrittskandidaten stärker zu flexibilisieren, da bislang nur Zugang zu einigen Komponenten besteht, sowie soziale und Infrastrukturmaßnahmen stärker in die Gewährung von finanzieller Unterstützung einzubeziehen.

2. Die Liberalisierung des Visa-Regimes voranzutreiben!
Auch wenn teilweise vereinfachte Prozesse eingeführt wurden, bedeuten die Visa-Obligationen immer noch eine große Einschränkung für Freizügigkeit. Wir fordern daher, die Ausstellung von Visa zu beschleunigen und für Jugendliche, die ehrenamtlich aktiv sind, Visa kostenfrei zu gewähren – denn Mobilität heißt auch Völkerverständigung. Weiterhin stellt Freizügigkeit eine wichtige Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung der Westbalkanstaaten dar.

3. Den Jugendaustausch zu fördern und die ERASMUS-Programme für Studierende zu öffnen!
Um eine Heranführung an Europa und den Jugendaustausch zu stärken, sollten ERASMUS-Programme für Studierende der Westbalkanstaaten ausgebaut und intensiv beworben werden.

4. Die Konsolidierung der Zivilgesellschaft nachhaltig unterstützen!
Die Staaten des Westbalkans sind noch junge Demokratien, die, insbesondere im Falle des Kosovo, enormem Druck ausgesetzt sind. Eine verwurzelte und breite Bürger- und Zivilgesellschaft ist daher unerlässlich für einen stabilen Staat und eine lebendige Demokratie – schließlich erfährt die Demokratie gerade aus der Bevölkerung ihre Legitimität. Wir fordern daher, gezielte Aktionsprogramme zur Herausbildung zivilgesellschaftlicher Strukturen, besonders im Jugendbereich, zu entwickeln und bestehende Programme auszubauen.

5. Ein kohärentes Paket zur Bekämpfung von Korruption zu entwickeln!
In allen Staaten ist Korruption nach wie vor eine der großen Herausforderungen, die der Herausbildung rechtsstaatlicher Strukturen entgegenstehen. Insbesondere im Fall von Bulgarien und Rumänien, die auf den Plätzen 70 und 72 des Korruptionsindexes von Transparency International stehen, führt dies nach wie vor zu Problemen. Wir fordern die EU daher auf, gegenüber den jetzigen Kandidatenländern und potentiellen Kandidaten eine ganzheitliche Strategie mit klaren Sanktions- und Anreizmechanismen zu entwickeln. Voraussetzung für die Korruptionsbekämpfung bleibt aber die Verbesserung der sozialen Lebensverhältnisse.

6. EUROBAROMETER-Erhebungen auch in den Westbalkanländern durchzuführen!
EUROBAROMETER-Umfragen, die regelmäßig in den EU-Mitgliedsstaaten stattfinden, sollten auf die Beitrittsländer und potentiellen Beitrittsländer ausgedehnt werden. So könnte beispielsweise eine derartige Sonderausgabe zu einer klareren Einschätzung der Bedürfnisse der Bevölkerung fühlen und dazu beitragen, dass sich Menschen von der EU ernst genommen führen. Insbesondere im Kontext einer glaubwürdigen Heranführungsstrategie wären derartige Umfragen von großer Bedeutung. Wir fordern daher die Beauftragung einer EUROBAROMETER-Umfrage, die in den Staaten des Westbalkans nach ihrer Haltung zur Europäischen Union und ihren Bedürfnissen im Transitionsprozess fragt. Dies kann jedoch nur eine Ergänzung für einen Dialog mit der Zivilgesellschaft darstellen.

7. Die Erweiterungspolitik ist eine der bedeutungsvollsten und gleichzeitig sensibelsten Bereiche im politischen Handeln der Europäischen Union. Ihre Glaubwürdigkeit bei den Menschen lebt vom ernsthaften Willen beider Seiten, der Beitrittskandidaten wie auch der Europäischen Union selbst, Beitrittsfragen im Interesse aller zu beantworten. Weitere Schritte im Beitrittsprozess müssen angesichts der Notwendigkeit eines reformierten Vertragswerks mehr denn je eine Balance zwischen einer verlässlichen europäischen Perspektive für die Staaten des Balkans und der Berücksichtigung des vierten Kopenhagener Kriteriums herstellen: der Erweiterungsfähigkeit der Europäischen Union. Eine road map, die nach der Entscheidung über die Zukunft des Vertrags von Lissabon erstellt werden wird, sollte diesen Prozess begleiten und mit Zeitfenstern versehen.