Mehr Europa gemeinsam gestalten: Für mehr Demokratie, Dialog, Diskussion
Europäisches Bürgerforum, 20.05.2006, Köln
Europa-Union Deutschland und Union der Europäischen Föderalisten veranstalteten gemeinsam und in Kooperation mit dem Centre International de Formation Européenne (CIFE) ein international besuchtes Bürgerforum für mehr Demokratie, Dialog und Diskussion. Ein halbes Jahr vor der deutschen EU-Ratspräsidentschaft war es das Ziel „Mehr Europa zum Thema zu machen!“ Die Veranstaltung fand statt am 20. Mai 2006 in den Räumen des Landschaftsverbandes Rheinland, Horion-Haus, Hermann-Pünder-Str. 1, 50679 Köln-Deutz und wurde von ca. 80 Teilnehmern besucht.
Podium:
▪Elmar Brok MdEP, Bielefeld - Präsident der Europa-Union Deutschland & Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Europäischen Parlamentes
▪Friedhelm Frischenschlager MdEP a.D., Wien/Brüssel - Generalsekretär der Union der Europäischen Föderalisten
▪Barbara Gessler, Bonn - Leiterin der Regionalen Vertretung der Europäischen Kommission in Bonn
▪Axel Schäfer MdB, Bochum - Europapolischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion & Vizepräsident der Europäischen Bewegung Deutschland
▪Kristina Weich-Hondrila, Brüssel - Managerin euractiv.de
Moderation:
▪Franz Josef Klein, Berlin – Bundesausschussvorsitzender der Europa-Union Deutschland & Leiter der Vertretung der Freien und Hansestadt Hamburg beim Bund
Nach der Eröffnung des Forums durch Herrn Franz Josef Klein skizzierte Elmar Brok MdEP zunächst die beiden derzeit vorherrschenden europapolitischen Debatten, erstens die Diskussion um die Zukunft des Verfassungsvertrages und zweitens die Frage der Unionserweiterung. Nach seinem Dafürhalten sei es nicht möglich, beide Debatten getrennt voneinander zu betrachten, bestünde doch ein enger Zusammenhang zwischen den noch zu definierenden Grenzen der EU und der dafür unerlässlichen Handlungsfähigkeit ihrer Institutionen, die beispielsweise durch die Bestimmungen des Verfassungsvertrages erheblich verbessert werde. Brok zeigte sich bezüglich des Verfassungsvertrages optimistisch, da die entscheidende Zahl von 20 ratifizierenden Mitgliedsstaaten mit den Zustimmungen Estlands und Finnlands nicht mehr fern sei.
Mit Blick auf die Erwartungshaltungen gegenüber der deutschen Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 merkte Axel Schäfer MdB an, dass der deutschen Regierung aufgrund des Wahlkampfes in Frankreich und den Niederlanden in diesem Zeitraum de facto nur drei Monate effektiver Arbeitszeit zur Verfügung stünden. Schäfer zählte die möglichen Alternativen zur Rettung des Verfassungsvertrages auf und plädierte schließlich dafür, nicht den Text, sondern den Kontext zu verändern.
Die Sicht der Europäischen Kommission legte die Leiterin der Regionalen Vertretung Bonn, Barbara Gessler, dar. Die Kommission konzentriere sich darauf, ein „Europa der Resultate“ zu präsentieren und den europäischen Bürgern die Vorteile der Union, insbesondere wirtschaftliches Wachstum und Anstieg der Beschäftigung infolge der letzten Erweiterungsrunde, zu verdeutlichen. Auch werde eine Bürgeragenda umgesetzt, die sich durch die Komponenten Transparenz, Kompetenzordnung und Subsidiarität auszeichne.
Friedhelm Frischenschlager, Generalsekretär der UEF, kritisierte, dass ein „business as usual“-Vorgehen der europäischen Institutionen nicht mehr funktioniere. Tatsächlich nehme die Akzeptanz der EU in den Reihen ihrer Bürger ab, was Ausdruck einer ernsthaften Krise der Union sei. Frischenschlager stellte die Frage, welchen populistischen Belastungen die Europäische Union gewachsen sei. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte sei der erreichte Stand der Integration durch ein abnehmendes Solidaritätsbewusstsein der Mitgliedsstaaten und Tendenzen der Renationalisierung bedroht. Daher forderte Frischenschlager eine Grundsatzdebatte, die zum einen jegliche populistische Renationalisierung durch ein Bekenntnis zu den vier Grundfreiheiten der Union entschieden zurückweise und das Prinzip Supranationalität als conditio sine qua non anerkenne. Um die Transparenz der Europapolitik zu erhöhen, hätten die europäischen Institutionen zum anderen eine „Bringschuld“, die sie verpflichte, Informationen besser zu kommunizieren und die Praxis des Plan D zur europapolitischen Kommunikation entscheidend zu verbessern.
Kristina Weich-Hondrila als Mitarbeiterin des europäischen Informationsmediums Euractiv stellte fest, dass die europäische Kommunikation im Rahmen von Fachöffentlichkeiten bereits sehr gut funktioniere. Sie beklagte allerdings einen Mangel an Diskussionsforen für die breite Öffentlichkeit, in denen die EU-Politik thematisiert und nicht lediglich skandalisiert werde. Des Weiteren wünschte sie sich eine engagiertere Debatte in Bundestag und Bundesrat und forderte klarere Aussagen der deutschen Regierung bezüglich des Vorgehens während der deutschen Präsidentschaft.
In der sich anschließenden Diskussion merkte Rainder Steenblock MdB an, dass die Idee der europäischen Integration von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt werde, die gegenwärtige Krise tatsächlich aber eine Krise der Institutionen sei, deren Strukturen von den Bürgern als nicht genügend demokratisch legitimiert und intransparent empfunden würden. Bezüglich des weiteren Vorgehens zum Verfassungsvertrag wurde der Wunsch nach einem stärkeren öffentlichen Bekenntnis der Kommission wie auch des Europäischen Rates zu dieser Verfassung geäußert. Friedhelm Frischenschlager schloss die Diskussion mit dem Hinweis, sich den Kontinent Europa einmal ohne die Existenz der Europäischen Union vorzustellen, um bei allen Unvollkommenheiten den Wert dieser Union zu ermessen.