14./15.04.07 Berlin: Bringt Deutschland Europa voran? – Halbzeitbilanz der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Wochenendseminar in Kooperation mit der Europäischen Akademie Berlin, mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes von 13. bis 15. April 2007 in der Europäischen Akademie Berlin e.V.
Teilnehmer des Seminars waren Bundesbürger sowie zwei Teilnehmer aus Österreich, die über die Verteiler der Europäischen Akademie und der Europa-Union frei geworben wurden. Über die Hälfte der Teilnehmer waren selbst Mitglieder der Europa-Union in ihren Heimatorten. Die Veranstaltung wurde als Weiterbildungsmaßnahme sehr begrüßt. Dem Hintergrund entsprechend war das sachliche Interesse an dem Thema des Seminars sehr groß, die Mitarbeit und Diskussionsfreude überdurchschnittlich. Sichtbar war allerdings, dass dieses Format aus Vortrag und Diskussion über ein ganzes Wochenende bevorzugt die mittlere bis ältere Generation an Europa-Interessierten anspricht.
Das Programm hatte eine Halbzeitbilanz der deutschen Ratspräsidentschaft zum Thema. Eingangs erläuterte Barbara Lippert vom Institut für Europäische Politik in Berlin den Stand der Union insgesamt nach 50 Jahren Römischer Verträge. Sie beschrieb die EG/EU als auf die Zeit gesehen größten Erfolg des 20. Jahrhunderts für den Kontinent. Viele Ideale und Forderungen die anfangs als utopisch galten seien mittlerweile verwirklicht worden. Von kontrollfreiem Grenzverkehr über die Verwirklichung des Binnenmarktes bis zur politischen Union sei Europa weit gekommen. Dies gerate bisweilen bei den typischerweise harten Verhandlungen aus dem Blick. Es komme nun darauf an, die Union für die Zukunft mit einer neuen Philosophie auszustatten, die den Prozess der Integration nicht nur befördert, sondern auch vermittelt.
Eckart Stratenschulte legte den Teilnehmern das Aufgabenpensum der Präsidentschaft dar und die Schwerpunkte einzelner Ressorts und Politikfelder, die durchaus alltägliche Regelungen beinhalteten, wie beispielsweise Fragen der juristischen Regelung von Lebenspartnerschaften in der Union, die auf die steigende Zahl von gemischtnationalen Ehen Antworten zu finden habe, wie es das Justizressort auf der Agende hat. Den Erfolg der Präsidentschaft müsse man jedoch an der Frage der künftigen Verfasstheit der EU messen und inwieweit es der Präsidentschaft gelinge, auf dem Juni-Gipfel einen Fahrplan hierfür vorzulegen.
Michaele Schreyer, frühere Haushaltskommissarin, interpretierte die Berliner Erklärung mit den Teilnehmern auf ihren substanziellen Gehalt. Hier zeigte sie, dass die Erklärung durchaus nicht nur schöne Worte beinhalte, sondern ein grundlegendes Selbstverständnis formulierte, das in die Zukunft weise. Sie wies dabei die These ihres Vorredners anhand der Berliner Erklärung nach, dass es nun auf die Regelung durch die wie auch immer benannte und gestaltete Verfassung ankomme, was in der Erklärung als explizieter Auftrag formuliert sei.
Mechthild Baumann, Mitarbeiterin beim Centre International de Formation Europénne (CIFE) in Deutschland prüfte den Märzgipfel auf seine Ergebnisse zum Bereich Klimapolitik und Klimaschutz. Hier sei man sicherlich weit hinter den wünschenswerten Zielen zurückgeblieben. Entscheidend sei aber, so Baumann, dass die europäischen Regierungen sich grundsätzlich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen konnten und das Thema Klima nunmehr auf die Politikgestaltung maßgeblich beeinflussen werde.
Eine für viele der Teilnehmer neuen Bereich referierte Weronika Tkocz, Politologin an der FU Berlin. Die Nachbarschaftpolitik der Union als wesentlicher Baustein der gemeinsamen Außenpolitik ist offenbar nicht so öffentlichkeitswirksam, wie sich Experten das mitunter vorstellen. Sie legte im Detail dar, mit welchen Ländern welche Ansätze verfolgt würden und gab auch einen Ausblick auf die Frage künftiger Erweiterungen in diesem Zusammenhang, die anhand der Frage der Ukraine und Belarus’ lebhaft diskutiert wurde.
Einen Sonderfall der Beziehungen der EU stellt das Verhältnis zu Russland dar. Wie ist der Stand der aktuellen Verhandlungen zum neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen, welche Hindernisse ergeben sich aktuell und wie beurteilen wir Rußland im Hinblick auf seine innerer Verfassung und Demokratiefähigkeit sowie im Hinblick auf die oft widersprüchlich Außenpolitik? Dies waren die Leitfragen des Studienleiters der EAB, Tobias Baumann, der insgesamt die Lage in und mit Russland mit großer Skepsis betrachtete, da das Land im Vorfeld der anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen wenig berechenbar sei.
Lisa Moldenhauer, freie Mitarbeiterin der EAB stellte als letzten Beitrag eine Unterrichtseinheit für Lehrer vor, die die soziale Dimension Europas zum Thema hatte. Dieses Zukunftsfeld fristete bisher ein Schattendasein, wird aber die Akzeptanz der Union bei ihren Bürgern bald bestimmen, so Moldenhauer. Wichtig sei es daher, die Schüler mit dergleichen Fragen zu beschäftigen und auch dahingehend anzuregen, inwiefern soziale Fragen und Standards im Rahmen einer großen Staatengemeinschaft beantwortet bzw. gesetzt werden können.
Zum Abschluss führte Ursula Herrmann auf einer politischen Stadtrundfahrt durch Berlin. Hier steuerte sie wesentliche Orte an, die für das Verständnis für deutsche und europäische Geschichte maßgeblich sind bzw. Spuren sichtbar werden lassen. Nicht nur Gedenkstätten und Denkmale, sondern auch Orte religiöser Minderheiten, politischer Entscheidungen oder politischer und ideologischer Architektur boten hier reiches Anschauungsmaterial für eine Rundfahrt, die über die Benennung und Optik üblicher Sehenswürdigkeiten hinausging.