Etwa 190 Gäste sowie die Mitglieder des Podiums Prof. Dr. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, Michael Theurer MdEP, Mitglied des Wirtschafts- und Währungsausschusses des EP, Generalkonsul Scammacca del Murgo, Andrea Varese, Vorstandsmitglied der HVB, Franz Josef Pschierer, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Medien, Energie und Technologie sowie Gerhard Losher, Leiter der Redaktion Europa des Bayerischen Fernsehens, wurden begrüßt von Stavros Kostantinidis, Vorsitzender der Europa-Union München.
In ihrem kurzen Einführungsvortrag unterschied Ursula Münch drei Dimensionen der Fragestellung: die ökonomische Dimension, die innenpolitische Ebene der Mitgliedstaaten, sowie die europapolitische Dimension, wobei zu unterscheiden sei in Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und separatistische Tendenzen in einzelnen Mitgliedstaaten.
Als Moderatorin eröffnete Münch die anschließende Diskussion mit den Eingangsfragen, ob die Gefahr der Desintegration in Europa tatsächlich gegeben sei, was getan werden könne, um einer solchen entgegenzuwirken, wieso die Einschätzungen zur Krisenbewältigung so unterschiedlich seien, und ob die Lösung – trotz der Europaskepsis und Renationalisierungsprozesse – nicht doch in mehr Europa läge.
Das Podium war sich einig über die Notwendigkeit des Schuldenabbaus in Europa. Der Euro sei – wie ein Vergleich mit einigen Nicht-Euro-Ländern zeige – weder die Ursache noch die Lösung der Probleme in Europa, er habe diese vielmehr transparent gemacht (Theurer, Pschierer). Die einzelnen Länder müssten ihre jeweiligen Probleme durch eigene Reformen lösen (Varese, Pschierer, Lohser). Eurobonds könnten ggf. langfristig eingeführt werden (Scammacca del Murgo). Das Investitionspaket der Juncker-Kommission wurde unterschiedlich gesehen. Das Volumen sei pro Land sehr gering, außerdem sei mehr als genug Liquidität vorhanden; die Planungszeiten für Infrastrukturmaßnahmen seien zu lang um kurzfristige Wirkungen zu erzielen. Aber vielleicht solle das Investitionspaket ja primär als politisches Signal zu verstehen sein (Varese). Positiv wurde beurteilt, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) hier – anders als von den Linken gefordert – nicht eingesetzt werden soll. Die Investitionshilfen könnten sehr wohl nützlich sein für die Unternehmen, die zwar Aufträge hätten, aber lokal keine Kredite bekämen; insbesondere im Netzausbau könnten sie essentiell sein (Theurer).
Als Grund für zunehmende Europaskepsis und Renationalisierungsprozesse sehen die Teilnehmer zunächst die Sorgen der Menschen um ihre Zukunft. Zukunftsängste würden geschürt durch anti-europäische und populistische Parteien und Politiker. Europa diene vielen nationalen Politikern als „Schwarzer Peter“ (Varese). Die Kritik dieser Politiker an Europa sei vielfach Heuchelei, da 80% der EU-Gelder von den Mitgliedsstaaten verwaltet und ausgegeben werden. Wir bräuchten wieder mutige Politiker, die die Vorteile der EU deutlich machten (Theurer). Auch die Medien berichteten zu wenig (positiv) über Europa. Allerdings sei auch die Brüsseler Kommission durch ihre vielen kleinteiligen Regelungen (Stichwort „Glühbirne“) mit verantwortlich für die schlechte Stimmung in Europa (Losher). Stattdessen müsse die Politik wieder Visionen für Europa entwickeln (Scammacca del Murgo).
Es herrschte Einigkeit darüber, dass viele Herausforderungen (z.B. Klimawandel, Außen- und Sicherheits-politik, Asylpolitik, Handelspolitik, Energiesicherheit) nicht auf nationaler Ebene lösbar sind – hier brauchen wir mehr Europa; Europa muss sich auf die wesentlichen Dinge fokussieren.
ENB 1.12.2014