Ein Koffer voller Hoffnungen

Mit Hoffen, Bangen und Heimweh im Gepäck kamen seit den 1950´er Jahren Gastarbeiter aus Südeuropa zu uns und haben hier ihren Beitrag zum deutschen Wirtschaftswunder geleistet. Die Europa-Union Gütersloh rückt nun die Geschichten und die Geschichte dieser Menschen in die Öffentlichkeit ...

v. l.: Stellv. Vorsitzender Konstantinos Sangas, Norbert Ellermann, Schriftführer Hartmut Blessmann

Gütersloh - Einen interessanten Lichtbildervortrag hielt der Museumspädagoge Norbert Ellermann vor Mitgliedern der Deutsch-Griechischen Gesellschaft und der Europa-Union. Unter dem Titel “Ein Koffer voller Hoffnungen - Leben in der Fremde - Arbeitsmigration aus den Süden Europas“ berichtete Ellermann über einen Teil deutscher Sozialgeschichte von den 50er bis Anfang der 80er Jahre.

Bereits in den 50er Jahren hatte sich die Wirtschaft von den Zerstörungen des 2. Weltkrieges erholt. Dabei konnte die große Nachfrage nach Arbeitskräften, die auch im Hinblick auf die große Zahl der Gefallenen im Krieg, bei weitem nicht im Inland gedeckt werden. 

Durch sogenannte Anwerbevereinbarungen mit Italien, Griechenland, Spanien, Türkei, Portugal und Jugoslawien, erfolgte dann ab 1955 eine große Einwanderungswelle ausländischer Arbeitnehmer (damals Gastarbeiter genannt) in die Bundesrepublik. Etwa ab 1960 kamen die ersten Griechen nach Gütersloh, um auch den hier allerorts bestehenden Arbeitskräftemangel zu beheben.

Nach gesundheitlicher Überprüfung und Begutachtung der Arbeitstauglichkeit durch die im Ausland tätigen deutschen Vermittlungskommissionen reisten dann, überwiegend mit Sonderzügen der Bahn, viele ausländische Arbeitnehmer mit Koffern und sonstigem Handgepäck ein, um bei den anfordernden Firmen zu arbeiten.  Es war eine Anreise zwischen Hoffen, Bangen und Heimweh. Dabei waren es durchweg ungelernte Migranten (bis zu 80% Männer), die aus den meist unterentwickelten agrarisch strukturierten Landesteilen Südeuropas zu uns, in einem Kulturkreis mit völlig anderen Lebensgewohnheiten, kamen. Dazu erlebten sie völlig andere Witterungsbedingungen und Essensgewohnheiten.

Auch im hiesigen Raum wurden die Betroffenen in den unterschiedlichen Industriezweigen wie im Bau-, Metall-, Textil- und Lebensmittelbereich eingestellt. Die Unterbringung erfolgte in Bauwagen, Baracken und manchmal auch festen Unterkünften. Denn ursprünglich war vorgesehen, dass die ausländischen Arbeitnehmer vorübergehend, in der Regel nur 2 Jahre bleiben sollten, um dann im Rahmen der Rotation zurückzukehren.

Doch daraus wurde nichts. Denn es kamen Menschen, die ihre eigenen Zukunftserwartungen hatten. Die dauerhaft hierbleiben wollten, um so ihre Familien in der Heimat nachhaltig finanziell zu unterstützen. Und im Laufe der Zeit entwickelte sich zunehmend der berechtigte Wunsch, hier mit ihren Familien zusammenzuleben.

Es war eine Zeit in der die Sozialarbeit sehr stark nachgefragt wurde. Viele Firmen setzten Betreuer ein, die sich diesen großen und neuen Aufgabenbereich annahmen. Neben der Suche nach geeigneten und größeren Wohnungen war die Hilfestellung bei den Antragsstellungen, den notwendigen Übersetzungsdiensten und der Erklärung der rechtlichen Bestimmungen und Vorschriften wie zum Beispiel im Straßenwesen eine der Hauptaufgaben. Dazu kamen viele Hilfestellungen in den ganz persönlichen  Bereichen.

Diese verdienstvolle Arbeit der Sozialarbeiter und Betreuer kann nicht hoch genug gewürdigt werden. Sie waren quasi die Felsen in einer wilden Brandung. Besonders bei den Griechen werden dabei drei Namen unvergesslich bleiben. So der inzwischen verstorbene Achilles Emmanouil, sowie Jean Makedenopoulos und Diogenes Papaeconomou.

Der innovative Abend mündete in der Erkenntnis, dass dieser Zeitabschnitt der jüngsten deutschen Geschichte aufgearbeitet und auch in der Heimatliteratur Eingang finden muss. Dank geht an die Museen, die mit ihrer Ausstellung das Thema wieder in die Öffentlichkeit gerückt haben.