Lammert charakterisierte Europa als geschichtlich einmaliges Projekt, das noch im Werden ist. Als „historisch beispiellos und beispielhaft“ nannte er den Vorgang, dass Staaten ihre Souveränitätsrechte teilweise auf eine nichtstaatliche Gemeinschaft übertragen. In der voran gehenden Podiumsdiskussion debattierten Sylvia-Yvonne Kaufmann, Präsidiumsmitglied der Europa Union Deutschland, der österreichische Schriftsteller Robert Menasse, der Europaabgeordnete Thomas Mann, stellvertretender Vorsitzender im Europäischen Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, der Generalsekretär von SOLIDAR, Conny Reuter, sowie Rainer Wend, Präsident der Europäischen Bewegung Deutschland, über das Thema des Abends, Europa mitbestimmen.
Menasse zitierte den ersten Präsidenten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Walter Hallstein, mit den Worten, dass die europäische Idee die Überwindung der Nation sei. Für ihn gebe es keine wirklichen nationalen Interessen. Die größte Gefahr sei eine Nationalisierung der europäischen Politik, insbesondere durch den Europäischen Rat. Als Bedrohung der europäischen Integration machte er auch wohlmeinende Pro-Europäer aus, die mit Phrasen wie der Forderung nach „mehr Europa“ hantierten, ohne den Bürgern zu erklären, was sie konkret damit meinen. Kritisch zeigte Menasse sich auch gegenüber dem Ruf nach den Vereinigten Staaten von Europa, die ihn zu sehr an die USA erinnerten. Er sprach sich stattdessen für eine aufgeklärte, transnationale europäische Verfassung aus. Diese setze aber auch den gebildeten europäischen Citoyen voraus.
Beim Thema Europabildung herrschte Konsens in der von Andrea Despot, Europäische Akademie Berlin, moderierten Podiumsdiskussion. Alle Diskutanten pflichteten bei, dass mehr europäische Bildung vonnöten sei und dass das europäische Projekt besser erklärt werden müsse. Thomas Mann wies darauf hin, dass alle Ausschuss-Sitzungen im Europäischen Parlament öffentlich seien und per Video-Stream verfolgt werden könnten. Die EU sei kein Elitenprojekt, jeder könne sich einbringen.
EBD-Präsident Wend betonte die Wichtigkeit, auf die unterschiedliche Situation der Menschen einzugehen: „Einem CEO kann man sehr leicht die Vorteile der Europäischen Union erklären. Für einen arbeitslosen Jugendlichen in Spanien müssen wir genauso Argumente finden, wie Europa seine persönliche Situation verbessern kann." Solidar-Generalsekretär Reuter prangerte die soziale Schieflage und die steigenden Arbeitslosenzahlen in Europa an und sprach sich für eine bessere soziale Absicherung aus. Auch EUD-Präsidiumsmitglied Kaufmann wünschte sich mehr Solidarität in Europa. Erfolge würden oftmals als nationale Leistung angesehen, Misserfolge hingegen auf die EU abgewälzt. Hier sei eine ehrlichere Debatte angebracht.
EU-Kommissarin Viviane Reding forderte in einer Videobotschaft dazu auf, gemeinsam voran zu gehen und eine breite Debatte über die Zukunft Europas zu führen. Vor dem Hintergrund des Europäischen Jahres der Bürgerinnen und Bürger 2013 und ein Jahr vor den Europawahlen müsse die Aufforderung an die Bürgerinnen und Bürger lauten: „Join the debate“, so Reding.
In seinem Schlusswort begrüßte EUD-Präsident Rainer Wieland das bürgerschaftliche Engagement vieler Menschen. Bürgerbeteiligung kenne aber auch Grenzen. Nicht immer könne jeder alles mitentscheiden. Die repräsentative Demokratie sei eine große Errungenschaft, die es zu bewahren gelte.
Auftakt und Abschluss des Abends bildete eine Informationsbörse, die fortan immer einen themenbezogenen Rahmen für die Europäischen Abende bieten soll, wie dbb Bundesvorsitzender Klaus Dauderstädt ankündigte. „Europa ist nach mehreren Krisenjahren längst nicht mehr Kür, Europa ist Pflicht“, sagte der dbb Chef und fügte hinzu: „Mitbestimmen ist die Parole.“
Die Europäischen Abende sind eine gemeinsame Veranstaltungsreihe der Europa-Union, des dbb beamtenbund & tarifunion sowie der Vertretung der Europäischen Kommission. Der 18. Europäische Abend wurde auch vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement unterstützt.