Zu den Ergebnissen des Europäischen Rates stellt Wieland fest, bei wesentlichen Punkten sei keine Einigung erzielt worden. „Eine Verdreifachung von Triton reicht angesichts der humanitären Katastrophe im Mittelmeer nicht aus“, so Wieland. „Gegen das schmutzige Geschäft der Schlepper muss entschieden vorgegangen werden, auch zu Lande, denn da sterben nach wie vor die meisten Menschen auf ihrem Weg nach Europa. Die Probleme lassen sich aber nicht allein mit polizeilichen oder militärischen Mitteln lösen.“ Die Piratenbekämpfung im Rahmen des Atalanta-Mandats könne nicht als Vorbild für den Umgang mit Flüchtlingsbooten dienen. „Auf den überfüllten, nicht hochseetauglichen Booten im Mittelmeer sind keine Piraten, sondern Menschen, die Schutz oder ein besseres Leben suchen. Die Hintermänner der Schlepper sind nicht auf diesen Seelenverkäufern.“
Eine effektive Seenotrettung müsse sichergestellt sein, eine Rückkehr zu Mare Nostrum, diesmal unter europäischer Flagge, sei geboten. „Die Mitgliedstaaten haben offensichtlich eine falsche Strategie gewählt, als sie die Reichweite von Triton definierten“, so Wieland. Dies gelte unbeschadet der Tatsache, dass abgelehnte Asylbewerber auch wieder zeitnah zurückgeführt werden müssten. „Die Frage, ob Asylschutz gewährt wird oder nicht, ist losgelöst zu betrachten von der Frage einer effektiven Seenotrettung. Letztere steht einer konsequenten Anwendung des Asylrechts nicht im Wege. Europa darf nicht zusehen, wie Menschen vor seinen Küsten ertrinken.“ Die Annahme, dass Mare Nostrum die Schlepper aufgrund einer effektiveren Seenotrettung motiviert habe, sei durch die Zunahme der Flüchtlingszahlen unter Triton widerlegt.
Die EU brauche eine gemeinsame Politik für Asyl, Flüchtlingsschutz, Einbürgerung und Einwanderung. In einem solchen vereinbarten Rahmen könne dann auch nicht mehr jeder Mitgliedstaat machen, was er will, und es gebe legale Wege, bereits in den Herkunftsländern Asyl zu beantragen. „Europa ist keine Festung sondern eine Wertegemeinschaft. Die Mitgliedstaaten müssen gemeinsame Regeln für legale Einwanderung festlegen und klare Vereinbarungen treffen in Bezug auf die Aufnahme von Flüchtlingen“, zeigt sich Wieland überzeugt. „Die bisherigen Dublin-Regeln reichen nicht mehr aus.“
Gemeinsame europäische Regeln könnten die Probleme lösen. Dies gelte nicht nur für Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa kommen. „Auch die Ukraine-Krise hat das Potential, eine dramatische Flüchtlingsproblematik zu entwickeln.“ Die einzelnen Nationalstaaten seien mit dem Problem der Zuwanderung überfordert. „Europa muss seine Migrationspolitik vergemeinschaften und auch seine Außen- und Sicherheitspolitik entsprechend gemeinsam gestalten“, so der Europa-Union Präsident.
Die Asyl- und Flüchtlingspolitik ist eines der zentralen Themen des 60. Bundeskongresses der Europa-Union Deutschland, der mit 250 Delegierten und Gästen am Wochenende im bayrischen Memmingen stattfindet.