Rückzug der Solidarität in Europa? – Podiumsdebatte mit Christian Moos

„Is Solidarity in Europe Fading?“ Mit dieser Frage beschäftigte sich die Podiumsdebatte des Freiblickinstituts am 1. Oktober in Berlin. Für die Europa-Union war Generalsekretär Christian Moos auf dem Podium vertreten. Solidarität müsse innerhalb der EU durch institutionelle politische Strukturen gestärkt werden, unterstrich Moos. Europa begäbe sich auf einen gefährlichen Weg, wenn es seine Herausforderungen nicht gemeinsam anginge.

Podiumsrunde mit Georgios Varouxakis, Bruno Waterfield, Moderatorin Sabine Beppler-Spahl, Weronika Priesmeyer-Tkocz, Funda Tekin und Christian Moos (v.l.n.r.)

 „Die Staaten, aus denen die EU als integraler Bestandteil der westlichen Welt besteht, brauchen untereinander Solidarität“, unterstrich Moos. Alleine könne keiner von ihnen die Europäische Ordnung aufrechterhalten und Frieden und Stabilität garantieren. „Wir brauchen Entscheidungsträger, die europäisch  oder – besser noch – global denken“, erklärte Moos.

„Solidarität setzt sich durch, wenn sie positive Ergebnisse vorweisen kann“, ist Moos überzeugt. Dabei komme es auf gemeinsame Werte ebenso an wie auf gemeinsame Regeln.

 „Das europäische Projekt braucht neue Erfolgsgeschichten“, folgerte Moos. Der einzige Weg dahin führe über die verstärkte Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten. Diejenigen Mitgliedstaaten, die weitere Integrationsschritte unternehmen wollten, müssten die Möglichkeit dazu erhalten. Andere könnten nachziehen, wenn sie bereit dazu wären.

Generalsekretär Moos sieht für eine Reihe von Politikfeldern dringenden Handlungsbedarf. Die Europäische Union brauche sowohl eine vollwertige Asyl- und Einwanderungspolitik sowie eine wirksame Kontrolle über ihre Außengrenzen. Gleichzeitig müsse es legale und sichere Wege der Einreise in die EU geben. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU und ihre Nachbarschaftspolitik müssten laut Moos ebenfalls dringend gestärkt werden. Zudem müsse die Wirtschafts- und Währungsunion weiterentwickelt werden. Sie könne ohne einen Solidaritätsmechanismus nicht bestehen.

Ein Teil der Podiumsteilnehmer kam in der Diskussion um die Solidarität in Europa zu anderen Schlüssen. Georgios Varouxakis, Professor für politische Ideengeschichte an der Queen Mary Universität London, vertrat die Meinung, dass Solidarität in der EU deshalb nicht schwinden könne, weil es sie schon in der Vergangenheit nicht gegeben habe. Bruno Waterfield, Brüssel-Korrespondent der Zeitung „The Times“, zeigte große Skepsis gegenüber den EU-Institutionen. In der Flüchtlingskrise habe er  mehr Solidarität vonseiten der Bürger als vonseiten der Europäischen Institutionen gesehen, sagte der europaskeptische Waterfield.

„Die EU befindet sich in einer Krise, hat aber eine Zukunft“, sagte Funda Tekin vom Institut für Europäische Politik. Die letzten Eurobarometerumfragen zeigten, dass das Vertrauen der Bürger in die EU wieder wachse. Dies gelte speziell auch für junge Menschen. Weronika Priesmeyer-Tkocz von der Europäischen Akademie Berlin berichtete aus polnischer Sicht, der Vertrauensverlust der Bürger in die EU sei sehr groß. Auch laut Tekin fehlt es momentan vor allem an einem gemeinsamen europäischen Projekt.

Die Podiumsdiskussion wurde vom Freiblickinstitut in Zusammenarbeit mit dem internationalen Netzwerk „Time To Talk, European Houses of Debates“ organisiert. Den Debattenbeitrag von EUD-Generalsekretär Christian Moos können Sie hier im englischen Original nachlesen. Der Audiomitschnitt der Debatte ist in voller Länge online verfügbar.