Scheitert Europa, dann scheitert die Demokratie! EP-Präsident Schulz hält Europarede in Berlin

Große Bühne für Martin Schulz am 24. Mai in Berlin. An der Humboldt-Universität hielt der Präsident des Europäisches Parlaments und prominentes Mitglied der Europa-Union vor hunderten Gästen die 28. Humboldt-Rede zu Europa. Kritische Worte fand Schulz zum derzeitigen Zustand der Demokratie in Europa. Diese sei in großer Gefahr und werde von zwei Seiten herausgefordert. Von der einen Seite zerrten die Märkte, Lobbygruppen und Ratingagenturen an der Demokratie. Von der anderen Seite belasteten die Regierungen den demokratischen Parlamentarismus.

Die Unionsmethode schwäche mit der zunehmenden „Vergipfelung“ das Europaparlament. Seit zwei Jahren finde eine Verlagerung der Macht von der Legislative auf die Exekutive statt. Dieses Vorgehen erinnere an den Wiener Kongress, so Schulz. Demokratie und Parlamentarismus benötigten Zeit, reine Effizienzlogik sei nicht immer der richtig Weg, um weitreichende Entscheidungen zu treffen.

Der langjährige Europaparlamentarier forderte einen Neustart der Demokratie in Europa. Das Primat der Politik müsse zurückgewonnen werden. „Scheitert Europa, dann scheitert die Demokratie“ zeigte sich Schulz besorgt und formulierte 10 Punkte zur Wiederbelebung der europäischen Demokratie:

1.    Demokratie benötigt mehr Öffentlichkeit und Transparenz.
2.    Demokratie braucht Streit. Das Europäische Parlament müsse der Ort des Streites um die Zukunft Europas sein.
3.    Demokratie braucht Gewaltenteilung. Das Europaparlament solle das Initiativrecht erhalten.
4.    Die Parteien müssten auf europäischer Ebene gestärkt werde.
5.    Bei den Europawahlen müssten die Parteienfamilien mit Spitzenkandidaten für den Präsidenten der Kommission antreten.
6.    Direkte Partizipation der Bürgerinnen und Bürger müsse gefördert und die europäische Bürgergesellschaft gestärkt werden.
7.    Der grenzüberschreitende Diskurs müsse vertieft werden. Europäische Öffentlichkeit gelte es auszubauen.
8.    Demokratie braucht eine Stärkung der Grundrechte.
9.    Demokratie braucht Hoffnung. Mehr Geld müsse für Bildung und weniger für den Agrarsektor eingesetzt werden.
10.    Demokratie braucht institutionelle Klarheit. Die EU brauche eine europäische Regierung (Kommission) und zwei Kammern (Europäisches Parlament & Rat) sowie einen unabhängigen Europäischen Gerichtshof.

Die notwendigen Reformen sollten im Rahmen der bestehende institutionellen Strukturen durchgeführt werden: „Auch ohne einen neuen europäischen Vertrag, ohne einen Verfassungskonvent und ohne dass wir ein langjähriges Ratifizierungsverfahren durchlaufen, können wir im Rahmen des Bestehenden einen Neustart der europäischen Demokratie beginnen“, zeigte sich Schulz zuversichtlich.

Die Rede im Wortlaut gibt es hier.