„Die Zukunft Europas ist auch die Zukunft Deutschlands.“ Über diese Aussage der Schülerin und 1. Preisträgerin des diesjährigen Europäischen Wettbewerbs Vera Blaschke in ihrer „Rede über Europa“ herrschte großer Konsens auf dem 55. Bundeskongress der Europa-Union Deutschland.
Unter dem Motto "Europa: Der Weg aus der Krise" tagten 120 Delegierte und zeitweise mehr als 100 Gäste am 5. und 6. Dezember in Stuttgart-Gerlingen. Im Fokus des Kongresses standen die Präsidiumswahlen und die inhaltliche Positionierung des Verbandes nach dem Inkrafttreten des Lissabonvertrages.
Der Präsident der Europa-Union Peter Altmaier begrüßte in seiner Eröffnungsrede den Reformvertrag als wichtigen Schritt hin zu einem transparenteren, demokratischeren und bürgernahen Europa.
Zur „Herausforderung Europa“ sprach der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Günther H. Oettinger, der die EU als „alternativlos“ herausstellte. Zwei mal zog Oettinger in seiner Rede Bilanz: Er lobte den „zäh erkämpften“ Lissabon-Vertrag, „der nach vorne geht“ und ein neues Kapitel in der Geschichte der EU aufschlage. „Europa muss seine Kräfte bündeln, sonst werden wir von anderen überholt“, sagte Oettinger und forderte eine neue Strategie 2020.
Als Kernthemen des zukünftigen Europas sieht Oettinger Verkehr und Infrastruktur, Versorgungssicherheit bei der Energie sowie den Ausbau von Technologie. Die Agenda Europas sei somit klar: man müsse im Wettbewerb besser werden und da stark bleiben, wo man bereits stark ist, nämlich im industriellen Sektor.
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion diskutierten Prof. Dr. Berthold Leibinger, Aufsichtsratsvorsitzender bei TRUMPF, der Präsident des Netzwerks Europäische Bewegung Deutschland Dr. Dieter Spöri sowie Dr. Joachim Wuermeling, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft und Sprecher von Europa-Professionell die Rolle Europas in der Wirtschaftskrise.
Peter Altmaier MdB, seit 2006 Präsident der überparteilichen Europa-Union Deutschland, ist mit 98% der abgegeben Stimmen in seinem Amt bei der größten proeuropäischen Bürgerinitiative in Deutschland (16.000 Mitglieder) bestätigt worden. Altmaier kündigte an, er werde in seiner kommenden Amtsperiode besonders die Europafähigkeit von Regierungen und Parlamenten in Deutschland in den Mittelpunkt der Verbandsarbeit stellen.
Zu den Vizepräsidenten der Europa-Union Deutschland wurden der Europaparlamentarier Thomas Mann (CDU), der Präsident der Europäischen Bewegung Schleswig-Holstein, Ernst Johansson, und die Bundestagsabgeordnete Dr. Eva Högl (SPD) gewählt. Neuer Schatzmeister ist Dr. Joachim Wuermeling, Sprecher von Europa-Professionell. Als ehrenamtlicher Generalsekretär wurde Bernd Hüttemann vom Netzwerk Europäische Bewegung bestätigt.
Zu weiteren Präsidiumsmitgliedern wurden gewählt (in alphabetischer Reihenfolge): Wolfgang Balint, Ralf Bingel, Reinhard Bütikofer MdEP, Anton Freiherr von Cetto, Dr. Lutz Hager, Marco Hardt, Ulla Kalbfleisch-Kottsieper, Michael Link MdB, Dr. Sylvia-Yvonne Kaufmann, Enrico Kreft, Jürgen Lippold, Heinz Schaumann, Dr. Otto Schmuck, Thomas Stölting, Michael Theurer MdEP, Rainer Wieland MdEP.
Dem ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, Prof. Dr. Hans-Gert Pöttering, und dem Vizepräsidenten der Europa-Union Deutschland, Ernst Johansson, wurden auf dem Kongress die höchste Auszeichnung der Europa-Union Deutschland verliehen, die Europa-Union Medaille in Gold mit Stern.
Die mehr als 120 Delegierten des Bundeskongresses haben 13 Beschlüsse gefasst, die thematisch von der Energie- und Klimapolitik bis hin zur europapolitischen Öffentlichkeitsarbeit reichen.
Der Bundeskongress ist dem Leitantrag der AG Verfassung gefolgt und hat sich klar und deutlich für die Schaffung eines Europäischen Bundesstaates ausgesprochen. Die Europa-Union begrüßt zwar den Lissabon-Vertrag, damit ist aber keinesfalls der Endpunkt der europäischen Integration erreicht. Die Fortführung des europäischen Gedankens erfordert von den EU-Mitgliedstaaten, dass die überkommenen nationalen Konzepte überdacht werden, und sie benötigt den eindeutigen Willen, neue Wege zu gehen. In Zeiten globalisierter Märkte, von Finanz- und Wirtschaftskrise, gesteigerter Mobilitätserwartungen auf dem Arbeitsmarkt, Klimawandel und Ressourcenknappheit lassen sich die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nur noch europäisch und nicht mehr nationalstaatlich bewältigen. Das Ziel weiterer Reformschritte muss es daher sein, das Europäische Parlament zu stärken und das Europawahlrecht u.a. durch eine verstärkte regionale Anbindung der Abgeordneten zu verbessern und europaweit zu harmonisieren. Zudem geht es darum, die Parteien programmatisch und strukturell zu europäischen Parteien fortzuentwickeln. Um einen Konflikt zwischen dem Verfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof zukünftig zu vermeiden, sollte zur Stärkung der europäischen Perspektive über eine Änderung des Grundgesetzes nachgedacht werden.
In der Energie- und Klimapolitik fordert die Europa-Union eine europäische Lösung der dringendsten Probleme, diese lassen sich nicht mehr nur allein nationalstaatlich bewältigen. Erfolg verspricht nur ein Politikansatz, der die Finanz- und Wirtschaftskrise gemeinsam mit der sozialen Dimension denkt und zugleich die Umstellung auf ein nachhaltiges, klimaneutrales Wirtschaften voranbringe. Die EU muss Vorreiter für Klimaschutz und nachhaltige Energiepolitik sein. Die notwendige Umstellung auf erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Energieeinsparung kann nur gemeinsam und nicht im Wettbewerb unter den Mitgliedstaaten gelingen. Daher ist die Weiterentwicklung des europäischen Binnenmarktes für alle Güter, so auch Strom, Erdgas und andere Energieträger, unbedingt in den Fokus zu nehmen. Im Mittelpunkt der energiepolitischen Strategie der Europäischen Union müssen die Bürgerinnen und Bürger Europas stehen. Diese sind als Verbraucher an einer umweltverträglichen, sicheren und preisgünstigen Versorgung mit Energie interessiert und müssen mit einer „Charta der Energieverbraucher“ ein rechtsverbindliches Dokument in Händen halten, auf das sie sich gegenüber ihren Energieversorgern berufen können.
Um den Bürgern Europa näher zu bringen und die EU leichter verständlich zu machen, appelliert die Europa-Union an die Bundesregierung, mit dem Bekenntnis zur weiteren europäischen Integration Deutschlands eine starke und nachhaltige Informationspolitik zu verbinden und ihre europapolitische Öffentlichkeitsarbeit neu auszurichten. Darüber hinaus muss auch die EU ihre Öffentlichkeitsstrategie ausbauen und den Bürgern die positiven Aspekte einer EU-Mitgliedschaft ihres Landes besser kommunizieren. Zusammen mit den demokratischen Organisationen der Zivilgesellschaft müssen die Bürgerinnen und Bürger nachhaltig vor Ort angesprochen und ihnen der Nutzen der EU-Mitgliedschaft verdeutlicht werden.
Alle Beschlüsse des 55. Bundeskongresses finden Sie hier.