Europäischer Weckruf beim 65. Bundeskongress in Augsburg

Am 8./9. Oktober tagte der 65. Bundeskongress der Europa-Union in Augsburg. Nach mehr als drei Jahren pandemiebedingter Pause trat der Kongress erstmals wieder in Präsenz zusammen. Es war ein fröhliches Wiedersehen, bei dem den Delegierten von der Europa-Union Augsburg auch ein hochkarätiges Rahmenprogramm geboten wurde. Zugleich stand die Tagung unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Beim öffentlichen Auftakt, in den Beschlüssen und bei der abendlichen Gedenkaktion auf dem Rathausplatz wurde der ganze Ernst der Lage spürbar.

Öffentlicher Kongressauftakt

"Zum Frieden braucht es zwei, zum Krieg reicht einer", sagte EUD-Präsident Rainer Wieland MdEP in seiner Eröffnungsrede und setzte damit den thematischen Schwerpunkt der Tagung in der IHK Schwaben. „Heute im Jahr 2022 haben wir eine Auseinandersetzung zwischen autoritären Regimen und Demokratien“, konstatierte Wieland. Auch die die Fliehkräfte, die an unserer Gesellschaft zerrten würden stärker. „Das überbordende Problem ist der Populismus überhaupt“, betonte der EUD-Präsident. Deshalb sei es wichtig, dass die Stärke des Rechts weiter gestärkt und das Recht des Stärkeren wieder in letzte uns vorletzte Jahrhundert zurückgedrängt würden.

Auf dem Kongress herrschte Einigkeit, dass nur eine gestärkte EU den globalen Herausforderungen gewachsen sein kann. "Wir brauchen ein starkes Europa, das mit einer Stimme spricht", unterstrich Dr. Andreas Kopton, Präsident der IHK Schwaben in seinem Grußwort. Staatsminister Dr. Florian Herrmann hält es für fundamental, Europa nach außen zu stärken und nach innen zusammenzuhalten, wie er in seiner Grußansprache ausführte. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verwies in ihrer Videobotschaft auf die großen parallelen Krisen. „Wir Europäerinnen und Europäer werden diese Herausforderungen nur dann meistern, wenn wir gemeinsam handeln. Solidarität und Zusammenhalt – das ist die Formel für den Erfolg Europas“, so von der Leyen.

Höhepunkt des Kongressauftakts war die Diskussion zur Ukraine mit Anton Hofreiter MdB, Vorsitzender des EU-Ausschusses im Bundestag und Ljudmyla Melnyk vom Institut für Europäische Politik in Berlin. Moderiert von Julian Plottka, wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Bonn und Passau, diskutierte das Panel mit dem Publikum über die Lage in der Ukraine die Perspektive ihres EU-Beitritts. Von der Diskussion ging ein deutlicher Appell für die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der EU und die Unterstützung der Ukraine auch durch Panzerlieferungen aus.

„Raus aus der Krise – nur mit Europa!“

Das Kongressmotto zog sich wie ein roter Faden durch die beiden Tage. In vielen Redebeiträgen wurde deutlich, dass die politischen Reformforderungen unserer Verbände durch die vielfältigen Krisen noch dringlicher werden. „Wir haben die Aufgabe, die Botschaft der europäischen Idee, die gerade in trüben Zeiten stärker und heller strahlt, weiter zu verbreiten und in die politische Debatte einzubringen“, rief EUD-Präsident Wieland den Delegierten zu. Zur Europawahl solle daher ein föderalistisches Manifest entstehen.

„Bei allen Zukunftsfragen ist es ungeheuer wichtig, dass wir die Interessen der Jugend mit einbeziehen, gerade auch für einen nachhaltigen Frieden“, gab die JEF-Bundesvorsitzende Clara Föller zu bedenken. „Das heißt, dass wir mitreden und mitgestalten wollen, nicht nur auf dem Podium sitzen, weil zufällig gerade Europäisches Jahr der Jugend ist.“ In ihrem Grußwort zitierte Föller mit Blick auf die Herausforderungen der EU und die Ziele von EUD und JEF Altiero Spinelli: "Der Weg, den wir gehen müssen, ist nicht leicht und nicht sicher, aber er wird nun einmal gegangen werden müssen und das wird er auch.“

„Bei allem Schatten hatten wir in diesem Jahr auch Licht“, erinnerte EUD-Generalsekretär Christian Moos. Die Konferenz zur Zukunft Europa sei ein solches gewesen. Bei der Konferenz und in deren Empfehlungen hätten Europa-Union und JEF ihre Spuren hinterlassen. Auch im Plenum sei die EUD stark vertreten gewesen und habe sich gut vernetzt. Die #NoVeto Forderung nach dem Ende des Einstimmigkeitsprinzips im Rat der EU sei zudem auf der digitalen Konferenzplattform sehr erfolgreich gewesen. Auch im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung hätten die föderalistischen Ziele von EUD und JEF Eingang gefunden. „Im letzten Jahr haben wir die Regierung immer wieder daran erinnert“, berichtete Moos.

Rahmenprogramm in Augsburg

Wie die Verbreitung der Europäischen Idee in den Städten und Kommunen gelingen kann, zeigte eindrucksvoll das Vorprogramm des Bundeskongresses, das der KV Augsburg mit mehreren Kooperationspartnern organisiert hatte. So konnten die Delegierten in Augsburg den „Europäischen Wertewanderweg“ entdecken und die Veranstaltung "Europavisionäre" im Rathaus der Stadt Augsburg miterleben. Die öffentliche Diskussion mit Gaby Bischoff MdEP, Markus Ferber MdEP und Kulturstaatsministerin Claudia Roth stieß auf große Resonanz. Die Veranstaltung, bei der auch Theo Waigel mit einer Videobotschaft zu Wort kam, ist hier digital abrufbar.

Thorsten Frank, Vorsitzender der Europa-Union Augsburg und Europa-Union Bayern, unterstrich beim Bundeskongress die Bedeutung attraktiver und vielseitiger Europaangebote für die Menschen vor Ort. Dies sei auch für die Mitgliederentwicklung essentiell. Er freute sich, dass in der Geschichte Augsburg die Europa-Union nun zum zweiten Mal mit einem Bundeskongress zu Gast war. Der erste Augsburger Kongress tagte 1956 in der Fuggerstadt. EUD-Präsident Rainer Wieland dankte Thorsten Frank und den Vorständen der Europa-Union Augsburg und Bayern für die großartige Unterstützung bei der Organisation und Durchführung des Bundeskongresses. Die Delegierten spendeten großen Applaus.

Workshop Sessions

Am Samstagvormittag standen Workshop-Sitzungen auf dem Programm. Auf Einladung der AG Europäische Wirtschaftspolitik diskutierten Renke Deckarm, Stv. Leiter der Regionalvertretung der Europäischen Kommission in München und Dr. Andreas Kopton, Präsident der IHK Schwaben mit den Teilnehmenden lebhaft über die Wettbewerbsfähigkeit des Europäischen Mittelstandes und die aktuellen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine auf die europäische Wirtschaft.

Ideen und Best Practice zum Neustart des Verbandslebens nach der Coronapause sammelten die Teilnehmenden des Workshops der AG Verbandsentwicklung. Tipps für die Arbeit in den Vorständen standen ebenso auf dem Programm wie neue Veranstaltungsformate und Strategien der Mitgliederbindung. Die Diskussionen an den vier parallelen Thementischen ermöglichte einen intensiven Austausch.

Lichteraktion & Empfang im Rathaus

Im Rahmen des Kongresses fand am Samstagabend eine Lichteraktion auf dem Rathausplatz zum stillen Gedenken an die Opfer von Putins Angriffskrieg in der Ukraine statt. Sie bildet den Abschluss des Herbstfestes des Integrationsbeirat Stadt Augsburg, der Kooperationspartner der Aktion war. „Mit der Lichteraktion möchten wir ein Zeichen für Frieden, Demokratie und die Wahrung des internationalen Rechts setzen", sagte EUD-Präsident Rainer Wieland MdEP. Zu den Teilnehmenden sprachen zudem Didem Laçin Karabulut, Vorsitzende des Integrationsbeirates, und Thorsten Frank, Vorsitzender der Europa-Union Augsburg und Europa-Union Bayern. Nach einem Moment der Stille spielte der Pianist Davide Martello die Europahymne, in die die Teilnehmenden einstimmten.

Der erste Kongresstag endete mit einem eindrucksvollen Empfang im Rathaus der Stadt Augsburg. Oberbürgermeisterin Eva Weber empfing die Delegierten im Goldenen Saal. Dank seiner beeindruckenden Geschichte, seiner Städtepartnerschaften und vielfältigen Europainitiativen und Projekte ist Augsburg eine echte Europastadt. Im Rahmen des Empfangs ehrten Rainer Wieland und Thorsten Frank zwei langjährige und sehr verdiente Mitglieder des Kreisverbandes.

Politische Beratungen und Beschlüsse

Einen Bericht über unseren europäischen Dachverband Union of European Federalists gab dessen Vizepräsident Markus Ferber MdEP am zweiten Kongresstag. Anschließend berieten die Delegierten über die politischen Anträge. Im Kern forderten die Delegierten dringende Reformen der EU-Institutionen, eine weitere Integration der EU-Verteidigungspolitik und eine zügige Verabschiedung eines neuen Europawahlrechts. Mit besonderer Dringlichkeit wurde ein Appell an alle proeuropäischen Parteien beschlossen, „als Brandmauer gegen Populisten und Extremisten in keine Regierung einzutreten, die von populistischen bzw. extremistischen Parteien abhängig ist“. In weiteren Beschlüssen forderten die Delegierten die Intensivierung des Weimarer Dreiecks, eine verstärkte Jugendbeteiligung und Jungendförderung sowie die Erhöhung von Europakompetenz in den Kommunen durch die Schaffung von Europagemeinderäten.

Das vollständige Programm des 65. Bundeskongresses kann hier eingesehen werden. Der Kongress fand in Augsburg große Resonanz. Es berichteten die Augsburger Allgemeine (05.10. und 09.10.), das Radio Schwaben, die Stadtzeitung und der Bayerische Rundfunk.