Hochkarätiger Abschluss der Bürgerdialog-Reihe „Europas Grenzen – Wir müssen reden!“

Beim Bürgerdialog im Roncalli-Haus in Magdeburg waren sich Publikum und Podiumsgäste einig: Der Austausch zwischen Bürgern und mit politischen Entscheidungsträgern ist heute nötiger denn je. Viele Interessierte waren am Abend des 29. November gekommen, um mit Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft über die Fragen zu diskutieren, die ihnen unter den Nägeln brennen. Außenpolitik, Sicherheit und Grenzschutz waren ebenso Thema wie sozialer Zusammenhalt, Flüchtlingspolitik und Integration. Auch der Aufschwung von Nationalismus und Populismus in Europa bereitete Vielen Sorge.

Einstiegspannel mit Arne Lietz, Moderator Franz Kadell, Elisabeth Kotthaus und Günter Krings

„Europa steht für offene Grenzen, für Handel, Mobilität, den Austausch von Menschen, Ideen und Gütern. Dieses Modell ist akut gefährdet“, sagte EUD-Generalsekretär Christian Moos zum Auftakt des Bürgerdialogs. Weltweit drohten neue, sichtbare und unsichtbare Grenzen zu entstehen. Dies habe Folgen für Deutschland und Europa.

„Die EU hat immer mehr ein Vermittlungs- und Verständigungsproblem in der Bevölkerung“, betonte Gabriele Brakelbusch, Landtagspräsidentin von Sachsen-Anhalt. „Wir müssen es schaffen, den Bürgern zu zeigen, dass gemeinsame europäische Projekte eine praktische Verbesserung ihrer Lebensumstände mit sich bringen.“

„Europa muss konkret werden“ ist auch Günter Krings, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenminister, überzeugt. „Wenn Europa Zustimmung erhalten soll, muss man es konkret fassen.“ Wichtig ist ihm auch, dass in den kommenden Jahren ein stärkerer Fokus auf die Durchsetzung europäischen Rechts gelegt werde.

Elisabeth Kotthaus von der Europäischen Kommission erklärte, warum die Entscheidungsprozesse, beispielsweise in der EU-Flüchtlingspolitik, mitunter lange dauerten. „Die EU ist keine Sanktionsunion. Im Grundsatz basiert die Union auf dem Dialog zwischen den EU-Institutionen, den Mitgliedstaaten, den Bürgern und den Parlamenten“, so Kotthaus. Die Vorschläge beim Thema Migration lägen auf dem Tisch. Jetzt liefen die Dialoge darüber, die nicht einfach seien.

„Europa ist ein Europa der Solidarität“, sagte der SPD-Europaparlamentarier Arne Lietz. Diese Solidarität müsse auch nach außen gelten, mahnte er u.a. mit Blick auf die Entwicklungshilfe und faire Handelsbeziehungen. Er forderte eine gemeinsame Außenpolitik und sprach sich dafür aus, auch die Rüstungspolitik in Europa maximal zu harmonisieren und somit zu reduzieren. So ließen sich Milliarden einsparen.

Der CDU-Europaparlamentarier Sven Schulze unterstrich, dass die EU derzeit eine Vielzahl an Herausforderungen gleichzeitig zu bewältigen habe. „Die EU befindet sich in der größten Krise seit ihrem Bestehen“, so Schulze. Beim Thema Soziales wies er darauf hin, dass die Kompetenzen hierzu meist nicht bei der EU, sondern den Mitgliedstaaten lägen.

Susanne Wiedemeyer vom Deutschen Gewerkschaftsbund verdeutlichte die Wichtigkeit von EU-Fördermitteln für Sachsen-Anhalt. Beispielsweise würden ESF-Mitteln dafür verwendet, Familien zu stärken, bei denen beide Elternteile arbeitslos seien. Ihnen würden Coachs zur Seite gestellt, die helfen, ein Elternteil wieder in Arbeit zu bringen. Auch Jugendlichen, die auf dem Arbeitsmarkt Schwierigkeiten hätten, würden während ihrer Ausbildung begleitet. „Wir brauchen ESF-Mittel, weil wir dies aus Landesmitteln nicht finanzieren können“, unterstrich Wiedemeyer.

Klemens Gutmann, Präsident der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände Sachsen-Anhalt, erläuterte die Wirtschaftsdynamiken innerhalb der EU. „In allen Ländern gibt es Gewinner und Verlierer“, so Gutmann. Beispielsweise habe die spanische Tourismuswirtschaft profitiert. Gleichzeitig habe die deutsche Industrie dort, ohne dies zu wollen, lokale Produzenten verdrängt. „Soziale Standards anzugleichen ist viel schwieriger als einen gemeinsamen Markt zu schaffen“, sagte Gutmann.

Das Schengensystem wurde von allen Beteiligten als große Errungenschaft gewertet. Es wurde jedoch auch darauf hingewiesen, dass dieses Projekt noch nicht vollendet sei. Ernst G. Walter, stv. Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und Bundesvorsitzender der DPolG Bundespolizeigewerkschaft, berichtete von der Arbeit der Sicherheitsbehörden an den Außengrenzen. In den letzten Monaten sei die deutsche Bundespolizei vermehrt an Flughäfen eingesetzt worden. Generell sei mehr Personal erforderlich, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden.

Das Thema Flucht und Integration interessierte das Publikum in allen drei Themenräumen besonders.
Monika Schwenke von der Caritas Magdeburg berichtete aus der Flüchtlingsberatung, dass viele Menschen gerne wieder zurückkehren möchten, sobald es die wirtschaftliche oder Sicherheitslage zuließe. Viele hätten ihr Land gar nicht verlassen, wenn die wirtschaftliche Situation anders gewesen wäre.

Cornelia Lüddemann MdL, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, unterstrich die Bedeutung der Integration von Geflüchteten. So würden sie später gestärkt zurückgehen und ihr Land aufbauen. Mit Blick auf Integration und fairen Handel warb sie dafür, sich zu überlegen, was man selbst dazu beitragen könne. „Letztendlich hat doch jeder die Möglichkeit, den Gang der Geschichte selbst mit zu bestimmen“, so Lüddemann.

Thomas Rieke, Vorsitzender der Europa-Union Sachsen-Anhalt, zog eine positive Bilanz des Bürgerdialogs und dankte den Referenten und dem Publikum für die wertvollen Diskussionen.

Der Magdeburger Bürgerdialog wurde von der überparteilichen Europa-Union Deutschland, der Europa-Union Sachsen-Anhalt, ihrem Kreisverband Magdeburg, den Jungen Europäischen Föderalisten Sachsen-Anhalt und dem Europe Direct Informationszentrum Magdeburg in Trägerschaft der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. veranstaltet.

Die Europa-Union Deutschland wird die Bürgerdialogreihe 2017 mit neuer Themensetzung fortführen.