EUD-Ehrenpräsident Altmaier betonte, dass die Verfassungsfrage in Europa sehr unterschiedlich beantwortet werde. So gebe es in Frankreich nach dem gescheiterten Referendum 2005 stärkere Skepsis gegenüber einem Verfassungsprojekt als hierzulande. Deutschland müsse mehr die Sicht der europäischen Nachbarn berücksichtigen, so Altmaier. Grundsätzlich brauche man in Europa mehr Gemeinsamkeiten.
In seiner Begrüßung legte Dr. Günter Krings, stellvertretender Vorsitzender der EUD Parlamentariergruppe, dar, dass die anhaltende Krise auch eine europäische Vertrauenskrise sei. Dazu habe auch die fortwährende „Aneinanderreihung von Notoperationen“ beigetragen. Krings stellte zwar eine zunehmende Skepsis in Deutschland gegenüber der EU und dem Euro fest, zeigte sich aber dennoch davon überzeugt, dass sowohl die EU als auch der Euro die Krise überstehen werden. Er plädierte für eine „ever stronger Union“ statt einer „ever closer Union“. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse eine Abkehr vom Intergouvernementalismus und eine Rückkehr zur Gemeinschaftsmethode erfolgen.
Anschließend diskutierten auf dem Podium über die künftige Verfassung für Europa die Bundestagsabgeordneten Oliver Luksic, Dietmar Nietan, Manuel Sarrazin und Michael Stübgen. Moderiert wurde die Diskussion von EUD-Generalsekretär Christian Moos.
Nietan, stellvertretender Sprecher der SPD im EU-Ausschuss, sah in der Verfassungsdiskussion eine eher mittelfristige Debatte. Kurzfristig seien auch andere Lösungswege denkbar, um die EU voran zu bringen. Er warf die Frage auf, ob bereits alle Instrumente des Lissabonner Vertrages genutzt worden seien? Für die Zukunft könne er sich aber ein Zweikammer-Parlament in der EU vorstellen. Luksic, Mitglied im EU-Ausschuss für die FDP, betonte die Bedeutung des Rechtsstaates in der EU und lobte die Initiative mehrerer Außenminister für eine Rechtsstaatsunion. Diese sei angesichts aktueller Entwicklungen wie in Ungarn dringend geboten. Sarrazin, Obmann der Grünen im EU-Ausschuss und Vorsitzender der EUD Parlamentariergruppe im Bundestag, forderte die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips in der EU. Skepsis gebe es nicht nur gegenüber der EU sondern gegenüber der Politik im Allgemeinen. Stübgen, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im EU-Ausschuss, setzte sich in seinem Redebeitrag für kleine Schritte statt großer Würfe ein. Zielführender seien derzeit kleinere Vertragsänderungen statt eines neuen Verfassungsvertrages. Moos erinnerte zum Abschluss daran, dass die freiwillige Ein- und Selbstbindung Deutschlands bis dato eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der europäischen Integration gewesen sei.
Die Reihe „Speakers‘ Corner – Wege aus der europäischen Krise“ fand bereits zum zweiten Mal in Berlin statt und wurde dieses Mal freundlicherweise von der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag unterstützt. Einen Bericht über die erste Veranstaltung zum Thema Europäischer Schuldentilgungsfonds finden Sie hier.